Nachtaufnahme des HfG-Gebäudes, 1956
Fotograf: Wolfgang Siol, © HfG-Archiv / Museum Ulm, Signatur: HfG-Archiv 56/0258
Fotograf: Wolfgang Siol, © HfG-Archiv / Museum Ulm, Signatur: HfG-Archiv 56/0258
Die gesellschaftliche Verantwortung der Gestalter: Warum die HfG Ulm gegründet wurde
Die HfG wurde nicht gegründet, um ein ästhetisches Defizit zu beheben. Ihren Gründern Otl Aicher, Inge Scholl und Max Bill ging es nicht in erster Linie darum, schöne Plakate und Lampen zu gestalten. Sie wollten vielmehr die Gesellschaft gestalten. Genauer gesagt: Sie wollten dazu beitragen, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland eine friedliche, demokratische und freie Gesellschaft entstehen konnte.
Die deutsche Gesellschaft lag 1945 in Trümmern. Die Häuser waren zerstört, die Straßen und Plätze der Städte voller Schutt und Asche. Das Land war von den vier führenden Siegermächten besetzt und aufgeteilt. Die Zerstörung war beinahe total. Sie erstreckte sich nicht nur auf die materielle Umwelt. Die Familien und Freunde beklagten ihre Toten und Vermissten.
Darüber hinaus waren auch die geistigen Grundlagen der Gesellschaft fundamental beschädigt. Die Welt hatte sich durch das Nazi-Regime so grundlegend geändert, dass die Deutschen aus Aichers Sicht nicht nahtlos an die Zeit bis 1933 anknüpfen durften. Er wollte die Katastrophe als Chance nutzen und sämtliche Traditionen und Gewissheiten, welche die deutsche Gesellschaft bis dahin wie selbstverständlich getragen hatten, kritisch hinterfragen. Alle gesellschaftlichen Werte erschienen fragwürdig, weil sie den Menschen nicht die Kraft gegeben hatten, den Nazis zu widerstehen. Diese Chance für einen vollständigen Neuanfang nannte man »Stunde Null«.
Quelle: www.renespitz.de, »Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm: Anmerkungen zum Verhältnis von Politik und Design, 1953–1968«, 22.05.2017
Versammlung im kleinen Hörsaal
© Stiftung Hochschule für Gestaltung HfG Ulm / Foto: Martin Rudau